Bitte nochmal Licht auf der Bühne!
Musik live zu erleben bedeutet immer einen Mehrwert: Der Sound ist brachialer, die Kommunikation direkter, das Adrenalin pumpt. Das Erlebnis ist einfach größer.
Eine gewichtige Rolle kommt dabei immer auch dem Ort zu, an dem sich das alles abspielt. Vertraute Konzert-Locations besitzen etwas Gemütliches, man trifft Freunde und findet selbst noch im Halbdunkel zur Toilette. Unbekannte Auftrittsorte dagegen sind spannend: Wie sieht es hier aus, auf was für Menschen trifft man – und wo ist eigentlich das Klo?
In diesem Beitrag möchte ich fünf ganz besondere Spielstätten herausheben, die man in Köln besucht haben sollte.
King Georg – „Der alte Puff“
Wer hier im Herzen des Agnesviertels Einlass über die konspirativ anmutende Türglocke erlangt, stößt sofort auf (bzw. gegen) das Herzstück des Ladens: Eine riesige ovale Bar, die fast bis ans Ende des Etablissements reicht. Dahinter kommen nur noch eine kleine spiegelige Tanzfläche und diverse offene Separees.
Das Interieur des King Georgs erzählen noch von der ursprünglichen Bestimmung als Nachtlokal und Tabledance-Schuppen. Gerade diese Zweckentfremdung macht den Charme dieses Orts aus. Regelmäßige Veranstaltungen werten den Barbetrieb (Donnerstag bis Samstag) auf. Hier spielen auch mal bekanntere Künstler eine exklusive Show, weil sie die puschelige Wohnzimmer-Atmosphäre so schätzen.
Erwähnt sei ebenfalls die Lesereihe donnerstags: spannende Literatur plus Diskussionen auf der improvisierten Bühne – die Antithese von biederen Buchhandlungslesungen bei Neonlicht.
Tipp: Der Name des Clubs spricht sich wie der deutsche Georg aus. Natürlich macht es nichts, wenn man wie viele andere zuvor denkt, man halte sich gerade im King George (englisch ausgesprochen) auf. Dennoch befinden wir uns bei Georg, King Georg.
Mein Highlight-Gig: Die österreichischen Überflieger Wanda spielten zu ihrer Durchbruchs-Platte „Amore“ vor wenigen Jahren im viel zu kleinen King Georg – keine 200 Leute fasst der Laden. Gepackt voll ist es dementsprechend, die meisten sehen die Band gar nicht, singen aber enthusiastisch mit, wenn Wanda minutenlang auf folgenden Zeilen reiten: „1, 2, 3, 4 – es ist so schön bei Dir!“.
Passt aber auch einfach perfekt auf diesen Ort.
Dieses wackelige YouTube-Video von dem Abend vermittelt zumindest einen kleinen Eindruck ins King Georg:
King Georg
Sudermanstraße 2, 50670 Köln
www.kinggeorg.de
www.facebook.com/groups/57035207045
Gloria – „Die feine Dame“
Obwohl man sich mit Konzertorten gemeinhin duzt, ist es hilfreich zu wissen, dass das Gloria auch einen Nachnamen trägt: „Theater“ lautet er. Damit geht optisch natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, ja, gar eine Verheißung einher. Und was soll man sagen? Diese Konzert-Location zwischen Neumarkt und Rudolfplatz erfüllt das alles – und noch viel mehr.
Das Gloria Theater ist eine jener Spielstätten, deren Look einen jedes Mal (mehr als nur) ein wenig happy macht. Wow, hier möchte man sich verdammt noch mal aufhalten! Vergleichbar sind Ambiente und Ausstattung dabei mit dem berühmten „Schmidts Tivoli“ in Hamburg – eben das Gegenstück zu hässlichen, eckigen Mehrzweckhallen. Hier ist es rund, holzig, gemütlich – dennoch sprechen wir nicht von einem verschnörkelten Mini-Club.
Der Saal fasst 900 Besucher (mit Stühlen 400). Ein Konzert-Location-Tipp auf der ganz sicheren Seite: Denn wenn es der Künstler nicht komplett vergeigt, geht man beseelt wieder heim.
Mein Highlight-Gig: Die Wahlkölner von OK Kid präsentierten ihre einzigartige Melange aus beatlastigem HipHop und Songwriter-Nachdenklichkeit. Heute bringt sie das auf die Titel der Musikzeitschriften und damals, 2015, eben ins zauberhafte Gloria Theater.
Gloria-Theater
Apostelnstraße 11, 50667 Köln
www.gloria-theater.com
www.facebook.com/gloriatheater
Club Bahnhof Ehrenfeld – „Der Partybuddy“
Dass sich mit dem Club Underground dieses Jahr leider einer der renommiertesten Konzertläden verabschiedet hat, steckt dem hiesigen Musikfreund noch in den Knochen.
Doch der Club Bahnhof Ehrenfeld schickte sich zuletzt immer mehr an, diese Lücke zu schließen – oder zumindest eine Alternative zu bieten. Ähnlich wie dem Underground einst findet sich auch hier draußen ein Bierbänke-Areal vorgelagert, eine weitere Parallele, neben den vielen Partyveranstaltungen, stellen die leicht verwinkelten Innenräume dar.
Der Club Bahnhof Ehrenfeld, der übrigens genau dort liegt, wo es der Name vermuten lässt, macht es einem bequem. Man kann in Sitzmöbeln auf kleineren Emporen versinken, während im Nebenraum die Bands um ihr Leben spielen (oder auch einfach nur ihr Set durchbringen – kommt immer auf die Tagesform an).
Mein Highlight-Gig: Noch ganz frisch… Der Shooting-Star der hiesigen HipHop-Szene Trettmann ist zwar schon lange dabei, aber in diesen Tagen stellt sein Storytelling verknüpft mit Autotune-Effekt und modernsten Beats das Maß der Dinge dar. 2017 besuchte er Kölns Bühnen (zählt man das „Summer Jam Festival“ vor den Toren der Stadt mit) fünfmal. Dass das Publikum dabei noch nicht genug hat, zeigte die letzte Show im Club Bahnhof Ehrenfeld. Ein wahrer Abriss – positiv gemeint!
Club Bahnhof Ehrenfeld
Bartholomäus-Schink-Straße 67, 50825 Köln
www.cbe-cologne.de
www.facebook.com/clubbahnhofehrenfeld
Blue Shell – „Die blaue Institution“
Eine echte Legende in der Kölner Musikszene. Sie definiert zu einem Drittel das sogenannte Bermudadreieck, also das nächtliche Spannungsfeld aus Stereo Wonderland, Luxor und eben Blue Shell – in dem schon so mancher verloren ging…
Nahe des Barbarossaplatzes gelegen findet sich hier eine stadtbekannte Anlaufstelle für gute Gitarrenmusik – abseits großer Stadionbands. Was nicht heißen soll, hier werden nur „No Names“ über die Bühne gescheucht, nein, die Ahnenreihe des Blue Shells besitzt eher was von einer Rock’n’Roll Hall of Fame.
Dennoch gibt es in diesem Club immer was zu entdecken. Wem der Konzerttrubel im Hauptraum zu viel wird, der kann in den nebengelagerten gehen und an der dortigen Bar sein Kölsch bestellen oder an einem der mittlerweile im Nachtleben so selten gewordenen Flipper spielen. Wobei diese Aussage noch mal revidiert gehört, denn da im Blue Shell keine Türen beide Räume trennen, ist das Geklingel und Geklacker eines Flippers natürlich eine Zumutung für jeden Künstler auf der Bühne – genau wie fürs Publikum. Ausnahme: Es spielt eine wahnsinnige Death Metal Band aus Südamerika und man versteht ohnehin sein eigenes Wort nicht mehr. Dann kann man ein Spiel riskieren… Ansonsten lohnt sich im Blue Shell das Zuhören aber eindeutig mehr.
Mein Konzert-Highlight: Eine südamerikanische Death Metal Band natürlich… Nein, nur Spaß! Besonders beeindruckend in Erinnerung habe ich die Weihnachtskonzerte, die der Songwriter Thees Uhlmann hier etliche Jahre regelmäßig aufführte. Noch vor seinem großen Durchbruch, aber schon damals vor großem Publikum. Typisch Blue Shell eben.
Auch hier hat Youtube einen wackeligen Clip ausgespuckt. Sie zeigt die Entertainment-Maschine Thees im Blue Shell und in Hochform…
Blue Shell
Luxemburger Straße 32, 50674 Köln
www.blue-shell.de
www.facebook.com/BlueShellClub
GOLD + BETON – „Die verrückte Nudel“
Neben so viel Legenden und Schmuckstücken noch ein echter Geheimtipp: Das Gold + Beton findet sich in der latent post-apokalyptischen Betonwüste unterhalb des Ebertplatzes. Vor einigen Jahren sind hier diverse sogenannte „Off Locations“ aufgepoppt, vor allem Galerien ohne große Infrastruktur. Dieser Impuls hat Freiräume ermöglicht, von denen die Kölner Ausgehszene immens profitiert. Denn Idealisten aus den hiesigen Kunsthochschulen und deren Umfeld haben Tolles aufgestellt.
Ganz vorne dabei ist sicher das Gold + Beton. Ein einzelner Raum mit großen Schaufenstern, nichts weiter – nur noch eine kleine Einbuchtung beherbergt Klo und einen Kühlschrank für die Besucher. Klingt spartanisch, doch mehr braucht es gar nicht, um in einer kleinen Galerie spannende Begegnungen anzubieten, die so mancher Bühne die Show stehlen. Experimentelle Art-Happenings, begehbare Ausstellungen, ideenbesessene Künstler formen jedes Mal etwas anderes aus dem schlichten Raum. Wer hier hinfindet, erlebt einen Abend, der sich von all dem routinierten Bar- und Bandbetrieb abhebt, soviel ist gewiss.
Mein Highlight: Das queere Kollektiv Sans Gene aus Köln gestaltete an einem der heißesten Tage des Sommers eine unfassbar intensive, schweißtreibende Musik-Performance. Das, naja, nennen wir es „Wasser“, rann von innen die Schaufenster herab. Luftfeuchtigkeit und Endorphine gingen durch die Decke.
Gold + Beton
Ebertplatz 3, 50668 Köln
www.goldundbeton.de
www.facebook.com/goldundbeton
Was war euer Konzert-Highlight in den vorgestellten Locations?
Habt ihr andere Lieblingsläden oder Tipps für Live-Gigs?
PS: Vor einiger Zeit stellte Benjamin seine Empfehlungen für Konzert-Locations vor. Dieser schöne Text sei noch mal wärmstens empfohlen.
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