„Noch ein Festival in Köln?“ – Das waren in etwa die Reaktionen, als 2011 der Name „WEEK-END Fest“ erstmals die Runde machte. Doch ein Blick auf das Line-Up reichte, um zu sehen, dass die Macher wenig Interesse an konventionellem Band-Booking hatten. WEEK-END Fest, das war – und ist – gelebter Mainstream-Gegenentwurf, nerdige Exklusivität und magische Sperrigkeit. Ende November ist es wieder soweit.
Am Anfang war der Ring
Okay, die die Geschichte des WEEK-END Fests müsste eher so beginnen: Am Anfang war der Zufall. „Die Veranstalterin des ‘Globalize Cologne Festivals’ fragte uns, ob wir Interesse hätten, im leerstehenden UFA-Filmpalast am Hohenzollernring ein Konzert zu planen“, erinnert sich WEEK-END Fest-Gründer Jan Lankisch. „Aus einem Konzert wurden drei Festivaltage.“
Bereits die hatten es in sich. Unter dem Titel „A different Festival for music, film & arts“ traten im November 2011 der mittlerweile etwas bieder gewordene Ex-Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer ebenso auf wie der entgrenzte US-Amerikaner John Maus. Maus hinterließ bleibenden Eindruck, indem er seine bezaubernden LoFi-Digital-Noise-Songs im Foyer des ehemaligen Kinos am Rudolfplatz vornehmlich im Liegen schrie. Dabei schlug er sich das Mikro so regelmäßig und stark gegen den Kopf, dass sich das Publikum ernsthaft sorgte.
Hier, in dieser Revue der vermeintlich Pop-Widersprüche, der bezaubernden Seltsamkeiten erwuchs der Stadt ein Festival, für das sie heute dankbar sein sollte.
International Noise Publicity
Jan Lankisch und sein damaliger Booking-Partner Jörg Waschat machten weiter. 2012 zog das WEEK-END Fest in Ehrenfelds Alte Kranfabrik am Gürtel. Wie sich später herausstellte, wieder nur vorübergehend.
In Ehrenfeld wurde zum ersten Mal die internationale Musikpresse auf das kleine Festival aufmerksam. Anlass gaben die Shows von Scritti Politti und Alex Tayler (Hot Cip), der zusammen mit Justus Köhncke (ganz früher: Whirlpool Productions) auftrat. Nicht zuletzt aber: die fast megaloman anmutende Exklusiv-Show, bei der – nur mal zum Mitzählen – das US-amerikanische Pavement-Mastermind Stephen Malkmus (1) ein komplettes Album der rheinländischen Krautrock-Götter Can (2) unterstützt von der Kölner Band Von Spar (3) aufführte. Wohl dem, der hier noch durchstieg und alle popkulturellen Verweise verstand.
„Wir finden Nischen eben am spannendsten und bringen gerne Künstler im Line-Up zusammen, bei denen sich eine Geschichte erzählen lässt“, schildern Lankisch und Theresa Nink, die seit letztem Jahr mitorganisiert, ihren Ansatz im Interview. „Dass sich damit keine LANXESS arena füllt, versteht sich von selbst.“
Neue Heimat: Mülheim
Zumindest, was den Standort anbelangt, gab es 2013 einen entscheidenden Einschnitt: Das WEEK-END zog nach Mülheim, wo es bis heute stattfindet. Mülheim? Stadthalle? Klingt zunächst nicht nach Pop-Glamour. Doch wer wie Theresa Nink die Geschichtsbücher wälzt, wird fündig: „Die Stadthalle ist nur heute nicht mehr als Konzertlocation bekannt. In den 1980ern spielten hier unter anderem Sonic Youth, Pixies und The Cure. Wir waren sofort begeistert von der Halle mit ihrem Holzboden, den spacigen 60s-Lampen und dem fast schwebend anmutenden gläsernen Foyer. Es gibt nicht viele solcher Orte in Köln.“
2016
Und so heißt es auch den sechsten November infolge: Das WEEK-END gehört Köln – und mittlerweile der ganzen Welt, wenn sie denn will.
„Wir merken“, freut sich Theresa Nink, „vor allem in diesem Jahr einen großen Anteil an Ticketverkäufen ins europäische Ausland. Das hat sicherlich damit zu tun, dass Bands wie Slapp Happy exklusiv bei uns spielen und Projekte wie Kurt Wagners ‘Flotus Movements’ auch nur dieses eine Mal und nur bei uns aufgeführt werden.“
Tatsächlich lohnt 2016 auch die weitere Anreise: Slapp Happy live zu sehen gleicht in etwa dem Fund einer Blauen Mauritius. Die Anfang der 1970er Jahre in Hamburg gegründete, deutsch-britische Avantgarde-Pop-Band, spielte fast nie live. Sie löste sich früh auf und machte erst spät und nur vorübergehend weiter – der Stoff, aus dem Pop-Legenden werden. Das letzte Lebenszeichen von Slapp Happy ist 16 Jahre her. Echte Fans besteigen dafür also gerne auch einen Flieger.
Kurt Wagner (Lambchop) veröffentlichte in den Nullern und besonders in den 1990er Jahren einige fantastische, fast minimalistische Country-Soul-Alben, auf denen er die Songs mit einer depressiven Süße hauchte, als würde er bekifft im Bett liegen. Jan Lankisch kann den Auftritt kaum noch abwarten: „Ich freue mich sehr, dass sich Mitte August aus einem spontanen Einfall heraus Lambchop-Mastermind Kurt Wagner begeistern ließ, das große Truthahnfuttern mit seiner Familie links liegen zu lassen. 7.000 km weit von seiner Heimat Nashville entfernt wird er mit einer Handvoll spannender Kölner KünstlerInnen sein neues Album ‚Flotus‘ aufführen.“
Mehr als nur Pop
Musik, auch das muss betont werden, ist und war nie das einzig bestimmende Thema beim WEEK-END Fest. Auch wenn das Programm als drittes großes Highlight dieses Jahr mit einem Besuch von The Julie Ruin, der Band von Kathleen Hanna (früher Bikini Kill, Le Tigre), aufwarten kann. Nein, Filme und Kunst fanden regelmäßig ihren Weg ins Programm. Dieses Jahr sogar in noch größerem Umfang als bisher.
Als Folge steigt 2016 nur der Festivalsamstag in Mülheim. Am Freitag und Sonntag spielen die Bands im Kölnischen Kunstverein am Neumarkt. Der Grund: Im dazugehörigen Filmclub 813 bekommt das WEEK-END Fest die Möglichkeit, das Musikprogramm eng an die gezeigten Filme zu koppeln. Etwa wenn die Doku „A Story of Sahel Sounds“ gezeigt wird und im Anschluss die nigerische Band Les Filles de Illighadad eine Etage höher auftritt.
Klar ist jetzt schon: Beim WEEK-END Fest bleibt es auch 2016 vielsprachig, denkwürdig und besonders. Muss man erlebt haben. Anders kann man es nicht sagen.
WEEK-END Fest
25. bis 27.11.2016
Stadthalle Köln-Mülheim, Kölnischer Kunstverein & Filmclub 813
Band-Line-Up: Les Filles de Illighadad , Baba Zula, Kurt Wagner (spielt “FLOTUS Movements”), The Julie Ruin, Slapp Happy (mit Faust), Babyfather, Surface To Air Missive, Die Zimmermänner
Filme: „A Story of Sahel Sounds“, „Lawrence Of Belgravia“ inklusive Künstlergespräch mit Lawrence (früher unter anderem: Felt)
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