Das Brauhaus ist ein traditionsreicher Ort, wo Gäste in geselligem Rahmen deftige Kost und Bier in meist größeren Mengen konsumieren. In Köln wird dies in schmalen Stangen gereicht – und es gehört zur Folklore, dass der in Person eines Köbes vorgenommene Service ein wenig ruppig ist.
Diese Definition hatte bis vor nicht allzu langer Zeit mit leichten Variationen Bestand. Im November 2017 aber hat in der Kölner Südstadt ein Brauhaus eröffnet, das mit vielen Traditionen bricht. Das fängt schon beim Namen an: »Johann Schäfer«. Seitdem wurde das gastronomische Genre von einem frischen Wind erfasst: ein hausgemachtes Pils, vegetarische Kost, herzlicher Service und ein wohliges Ambiente sind die Eckpfeiler eines Konzepts, das als Blaupause für das Brauhaus der Zukunft dienen könnte.
Junger Lokalmatador
Hinter der kleinen Revolution steckt mit Till Riekenbrauk ein junger Lokalmatador. Der 32-Jährige ist in der Kölner Südstadt aufgewachsen und hat bereits während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften einige Erfahrungen in Gastronomie und Event-Management gesammelt. In der kulinarischen Landschaft Kölns hat er sich erstmalig 2015 bemerkbar gemacht, als er im Agnesviertel das Lokal »Laden Ein« eröffnet hat. Hier quartiert sich alle zwei Wochen ein neues Restaurant mit in der Regel eher ungewöhnlichen Spezialitäten ein: baskische Pintxos, peruanisches Ceviche oder Poké aus Hawaii.
Die entsprechenden Gastronomen kennt Riekenbrauk von seiner Tätigkeit als Organisator des Street Food Festivals, das seit 2014 nach seinem Start in Odonien in gut einem Dutzend Städte für neue Impulse sorgt. Doch bei aller Zuneigung zu internationalen Food-Trends hat der Jungunternehmer nie den Blick für die Vorzüge der Heimat verloren: Schon während der Suche nach einem geeigneten Lokal für das Projekt Laden Ein ist ihm eine leerstehende Immobilie aufgefallen. Seitdem sollte ihn die Adresse Elsaßstraße 6 nicht mehr loslassen.
Polterovend en d‘r Elsaßstroß
Wie Riekenbrauk erzählt, war der Backsteinbau bei Unternehmern aus verschiedenen Branchen begehrt – auch weil es sich um eine Adresse von historischem Gewicht handelt: Das Haus war lange Sitz der Spedition Johann Schäfer. Dort veranstaltete der gleichnamige Besitzer in den 1970er Jahren regelmäßig ein Fest, das als »Kirmes in der Elsaßstraße« bekannt wurde. Als unvergessener Höhepunkt sollte ein Konzert in die Geschichte eingehen, das die Bläck Fööss hier 1974 gegeben haben. Glaubt man einschlägigen Quellen, war dieses Ereignis die Geburtsstunde des Evergreens »Polterovend en d‘r Elsaßstroß«.
Als es um die Nachfolgenutzung der geschichtsträchtigen Immobilie ging, konnte sich Riekenbrauk gegen die Konkurrenz durchsetzen. Gemeinsam mit seinen Partnern hat er die Hebebühne aus dem schmucklosen Raum entfernt und die Wände freigeschlagen. Dabei sind die neuen Eigentümer auf portugiesisch anmutende Kacheln gestoßen, die vermutlich aus dem Baujahr 1889 stammen. Die Idee für das Leitmotiv der Inneneinrichtung war geboren.
Der Tresen ist mit Nachfertigungen der Kacheln verziert. Doch an der Fassade und im Innenraum verbreiten Bordüren mediterrane Fröhlichkeit. In Kombination mit den freigeschlagenen Backsteinwänden ergibt das ein zeitgemäßes Ambiente. Die moderne Interpretation der Brauhaus-Tradition setzt sich auf der Speisekarte fort. Diese ist übersichtlich und spürbar weniger fleischlastig, wobei die Produzenten von Hühnchen, Rind oder Schwein ausgewiesen sind. Dabei, so Riekenbrauk, gelte die Devise »Von Kopf bis Huf«. Will sagen: Der Küchenchef kauft nach Möglichkeit ganze Tiere ein, deren Fleisch vollständig in unterschiedlichen Gerichten verwertet wird.
Vegetarische Brauhauskost und Trinkhilfen
Auf der Karte aber stehen wie selbstverständlich auch Gerichte wie »Geröstete Zucchini mit jungen Erbsen« oder ein »Blumenkohlsalat mit Sauerampfer und Bergkäse«. Eher klassische Brauhauskost wie »Hausgemachte Sülze« oder »Alter Gouda« firmieren mit einem Augenzwinkern als »Trinkhilfe«. Dazu bestellen sich Gäste »Handgeschnitzte Pommes« oder »Geschmorte Süßkartoffel mit Chili-Honig«. Alle Speisen können gerne zum Teilen in die Mitte des Tisches gestellt werden.
Allein mit der Entschlackung und Aktualisierung der Speisekarte aber wäre die Neuinterpretation des Brauhauses nicht komplett. Im Mittelpunkt nämlich steht auch weiterhin: das Bier. Zwar fließt bei Johann Schäfer auch frisches Gaffel-Kölsch aus dem Zapfhahn, die eigentliche Attraktion aber sind die hauseigenen Sorten: Südstadt-Pils und Chlodwig-Weizen.
Vom Brauhaus zum Büdchen
Auch in einer Bierstadt wie Köln hat Riekenbrauk damit einen Nerv getroffen, denn die Nachfrage ist erheblich: Beide Gerstensäfte werden inzwischen auch in der Flasche verkauft. Im Brauhaus, aber auch bei Brigittes Büdchen, einer Kioskinstitution in der Südstadt.
Dies alles mag bemerkenswert sein, wäre aber ohne einen entscheidenden Faktor nur halb so viel wert: das freundliche Team, das auch mal auf Kölsch palavert, den Füllstand des Bierglases im Auge behält und bei Bedarf gerne improvisiert. Bei Platznot rückt man halt zusammen, wie die Kölner das halt so machen. Oder ein Tisch wird eben nur für eine Stunde vergeben. Dennoch sind Sitzplätze im Johann Schäfer nur schwer zu ergattern. Ein Umstand der zusätzlich dadurch erschwert wird, dass die Konzession aktuell nur von 17 bis 22 Uhr gilt. Riekenbrauk nimmt es mit Humor: »Wir sind ein 35-Stunden-Brauhaus«, sagt er lachend.
Johann Schäfer
Elsaßstraße 6, 50677 Köln
Tel. 0221 – 16 86 09 75
Öffnungszeiten: täglich 17–22 Uhr
Web: www.johann-schaefer.de | www.facebook.com/johannschaeferbrauhaus
Wow! Die Biersorten klingen sehr interessant. Finde ich toll, dass sich ein waschechter Kölner auch mal an ein untergäriges Pils herantraut! 🙂
Ach ich war erst in Köln, schade dass ich das da noch nicht kannte, sonst wäre ich da ganz sicher hingegangen :-/
Grüße, Steffi