Bohnen-Kult und Cold Brew
Lange war der Italiener um die Ecke die einzige Alternative zum Konsum von Filterkaffee. Mittlerweile aber hat sich das Getränk zu einem Genussmittel gemausert, dessen Produktionsschritte von der Röstung bis zum Brühvorgang mit wissenschaftlicher Sorgfalt erfolgen. In Köln treibt eine verschworene Gemeinschaft die Qualität systematisch weiter nach oben. Ich habe mir verschiedene Cafés mal genauer angeschaut.
Köln ist eine Kaffeestadt mit vielen Röstereien und noch mehr eigentümergeführten Cafés. Doch es war ein langer Weg vom Filterkaffee aus industrieller Produktion zu hochwertigen Spezialitäten. Dabei geben längst nicht mehr nur die Italiener mit ihrem Espresso Macchiato den Ton an. Viel mehr experimentieren Baristas mit großer Leidenschaft in laborähnlichen Anlagen mit Kaffeebohnen, Wasser und der dazugehörigen Apparatur. Ihr gemeinsames Ziel: die perfekte Rezeptur für einen feinporigen Latte Macchiato oder einen sogenannten Cold Brew zu finden. Verstärkte Aufmerksamkeit aber genießt neuerdings auch wieder der Filterkaffee, der bei geeigneter Zubereitung keineswegs eine Attacke auf den Magen sein muss.
Gliss Caffee Contor
Zu den Pionieren des Kaffee-Hypes unserer Zeit gehört Michael Gliss. Der gebürtige Kölner erhielt 2001 als erster Deutscher an einer Wiener Akademie ein Zertifikat, das ihn als Kaffeesommelier ausweist. Im selben Jahr hat der gelernte Koch in der Sankt-Apern-Straße ein kleines Geschäft eröffnet, in dem er hochwertigen Kaffee aus eigener Röstung anbietet. Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer ist Gliss auch als Botschafter für #culinarycologne tätig.
In beiden Funktionen betrachtet Gliss den Kaffee-Hype unserer Zeit mit viel Wohlwollen, schließlich ist die gestiegene Aufmerksamkeit für den Kaffee ein weiterer Indikator für das wachsende Genussbewusstsein der Kölner. Wobei er die Anfänge zu Beginn des Jahrtausends dem Erfolg eines Gastronomiegiganten zuschreibt: „Auslöser war Starbucks. Ob man das nun gerne hört, oder nicht.“
Schon zuvor aber habe sich vieles verändert. „Zunächst“, so Gliss, „haben wir die traditionellen Kaffeehäuser verloren“. Übrig geblieben aus der fernen Vergangenheit seien nur wenige Überlebende wie das Café Wahlen. Doch weil der Kaffee nun einmal das Getränk Nummer 1 der Deutschen ist, seien neue Anbieter in das entstandene Vakuum vorgedrungen: „Auf einmal kam diese sehr hohe Welle auf uns zu, auf der wir oben mitschwimmen konnten.“
Gliss Caffee Contor
St.-Apern-Straße 14–18, 50667 Köln
Web: www.gliss.de | www.facebook.com/gliss.caffee
Schamong Kaffee
Mit „wir“ meint Gliss in diesem Fall die Kölner Kaffee-Community, die in den zurückliegenden Jahren immer größer und vielseitiger geworden ist. Ein prominentes Mitglied der Szene ist auch Heribert Schamong. Zwar lässt der Standort nördlich der Bahnlinie an der Venloer Straße die Vermutung zu, dass es sich bei der Marke um ein hippes Startup handelt. Das Gegenteil aber ist der Fall: Schamong trägt mit einigem Stolz den Titel der „ältesten Kaffeerösterei Kölns“. Hier wird der edle Rohstoff vor den Augen der Kunden im Ladenlokal geröstet.
Wie Schamong erklärt, war es sein Großvater Josef, der 1949 ein Café in Ehrenfeld eröffnet hat. Zunächst noch als Filiale eines anderes Unternehmens, 1960 schließlich unter dem Namen der Familie. Auf diese Weise habe Schamong einen ganzen Stadtteil bei seinem Wachstum begleitet: „Noch heute kommen Leute in den Laden, die uns sagen, dass schon ihre Oma hier eingekauft hat.“
Schon damals wurden die aus unterschiedlichen Anbaugebieten importierten Bohnen in einer gusseisernen Maschine von Probat von Spezialisten geröstet. Die Pflege dieser Tradition aber bedeutet keineswegs, dass die Zeit bei Schamong stehen geblieben wäre: Im Café werden alle erdenklichen Kaffeespezialitäten der Neuzeit angeboten.
Für diesen Job konnte Schamong in Person von Carlo Graf Bülow einen Spezialisten gewinnen. Der 32 Jahre alte Bonner hat 2018 bei den Deutschen Meisterschaften für Baristas den Titel in der Disziplin „Latte Art“ gewonnen. Damit wurden seine ebenso hochqualitativen wie kreativen Milchschaumkreationen gewürdigt, in deren Genuss die Kunden Tag für Tag kommen.
Schamong Kaffee
Venloer Straße 535, 50825 Köln
Web: www.kaffeeroester.de | www.facebook.com/schamongkaffee
Van Dyck Espressobar
Vor gut zehn Jahren musste Schamong mit ansehen, wie sich in Ehrenfeld neue Konkurrenz etabliert hat. Unter dem Namen Van Dyck Kaffee waren es Monika Linden und Martin Keß, die sich in einem ehemaligen Friseursalon in der Körnerstraße selbständig machten. Wie sich Linden als langjährige Betreiberin des Café Sehnsucht erinnert, sind die Neulinge aber dort vom Platzhirsch nicht etwa angefeindet worden. Vielmehr habe von Schamong ein kleines Willkommensgeschenk erhalten: „Seitdem kennt man sich und man hilft sich.“ Schließlich habe man mit dem Industriekaffee einen gemeinsamen Gegner.
Der flämische Barockmaler Anthonis Van Dyck, der für seine kaffeebraunen Farbkompositionen bekannt war, diente als Namenspatron für das Unternehmen. Als Neulinge im Kaffeegeschäft haben die beiden von Anfang an nicht nur auf eine hohe Produktqualität sondern auch auf Bio-Ware und Fair Trade gesetzt.
Der Kaffee der Kölner wird mittlerweile nicht mehr nur in der Stadt sondern in gastronomischen Betrieben in ganz Deutschland ausgeschenkt. Dank der gestiegenen Nachfrage befindet sich die Produktion seit 2016 in der Mülheimer Schanzenstraße, wo der raue Charme der Industrievergangenheit das Erscheinungsbild bestimmt. In den Hinterzimmern des zweiten Van-Dyck-Cafés steht auch der firmeneigene Trommelröster, der genau wie bei Schamong aus dem Hause Probat stammt.
Wie Martin Keß erklärt, werden die verschiedenen Kaffeesorten durch die langsame Röstung bei niedrigen Temperaturen weitgehend von den Gerb- und Bitterstoffen befreit, die eine häufige Begleiterscheinung der Massenproduktion sind. Mit der reinen Qualität des Rohstoffs aber begnügt sich das Team bei Van Dyck nicht. „Unsere jungen Mitarbeiter“, erklärt Keß, „sind absolute Kaffee-Freaks“. Ständig werde mit neuen Apparaturen und Methoden versucht, die Qualität noch weiter nach oben zu treiben.
Van Dyck Espressobar
Körnerstraße 43, 50823 Köln
Van Dyck Rösterei und Café
Schanzenstraße 36, 51063 Köln
Web: www.vandyckkaffee.de | www.facebook.com/vandyckroesterei
Cold Brew
Zu den Spezialitäten des Hauses Van Dyck gehört der eingangs erwähnte Cold Brew. Den setzen Liebhaber abends auf, um ihn über Nacht ziehen zu lassen – ganz ohne Wärmeeinwirkung. Am nächsten Morgen ist der Kaffee servierbereit, bei Bedarf auch mit Eiswürfeln. Nicht weniger Aufmerksamkeit erhält der Filterkaffee, der bei verschiedenen Temperaturen und unterschiedlichen Durchlaufgeschwindigkeiten ein beachtliches geschmackliches Niveau erreicht. So ist der Kaffee nicht mehr nur das beliebteste Getränk der Deutschen sondern ein Genussmittel, bei dem jeder die Messlatte so hoch legen kann, wie er nur möchte. Ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar.
Weitere empfehlenswerte Röstereien in Köln:
Heilandt Kaffee
Bismarckstraße41, 50672 Köln
Web: www.heilandt.de | www.facebook.com/heilandt
moxxa
Aachener Straße 22, 50674 Köln
Web: www.moxxacaffe.de | www.facebook.com/MoxxaCaffe
Kölner Kaffeemanufaktur
Dürener Straße 123, 50931 Köln
Web: www.koelner-kaffee.de | www.facebook.com/Kölner-Kaffeemanufaktur-1451194985182787
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