Re:claim Ehrenfeld
Für seine nunmehr fünfte Auflage vom 31. August bis zum 21. September kehrt das CityLeaks Urban Art Festival zurück nach Ehrenfeld. Dort hatten bereits die ersten beiden Festivals 2011 und 2013 ihren Schwerpunkt. Mancher mag sich nun fragen: Hat das Kreativquartier im Kölner Westen nicht bereits genug Kunst auf Hauswänden und Mauern zu bieten? Braucht es da noch ein weiteres Festival mit vielen weiteren kreativen Interventionen? Antwort: ein klares Ja! Denn erstens kann es in einem Viertel niemals Kunst genug geben und zweitens sind Kunst und Kultur mit ihren vielen Räumen und Orten gerade nirgendwo sichtbarer bedroht als eben in Ehrenfeld: An vielen Stellen wie dem Helios- oder dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände mussten zuletzt kreative Freiräume großangelegten Bauvorhaben weichen. An anderen Ecken drohen Strukturwandel und Gentrifizierung Kulturorte zu verdrängen. Andernorts, wie in den Bahnbögen in der Hüttenstraße, liegen große Flächen mit viel Potential für kreative Umgestaltung einfach brach. Viele befürchten, das Viertel könne schon bald seinen besonderen Charakter einbüßen. Wo, wenn nicht hier, ließe sich urbaner Wandel also besser beobachten und über Strategien zur künstlerischen und gemeinwohlorientierten Belebung von Straßenräumen nachdenken? Anderseits erschöpfte sich das Programm des CityLeaks Festivals noch nie im gefälligen Bemalen von Hausfassaden. Auch in diesem Jahr stehen neben neuen Wandgemälden eine Vielzahl von Installationen, Performances, Aktionen, Diskussionen, Stadtführungen, Workshops und Ausstellungen auf der Agenda.
Um einen kurzen Überblick über CityLeaks 2019 zu vermitteln, möchte ich hier eine Reihe von besonders wichtigen und eindrucksvollen Programmpunkten vorstellen.
Eine Straße neu erfinden: re:built Hüttenstraße
Das erste Zentrum des Festivals liegt in diesem Jahr in den bislang leerstehenden Bahnbögen entlang der stark befahrenen Hüttenstraße. Hier haben Anwohner*innen und Interessierte schon seit Mai Ideen für eine (Neu)belebung der Bahnbögen gesammelt. Gemeinsam mit dem italienischen Architektenkollektiv studio orizzontale wurden konkrete Entwürfe für innovative Nutzungskonzepte erarbeitet. Im August folgt nun die Errichtung von multifunktionalen Holzarchitekturen in drei Bögen, die dann im September als Festivalzentrale dienen. Architektur- und Designstudierende aus Köln und Bonn entwerfen und bauen zeitgleich Holzmobiliar für Festivalpublikum und Anwohnerschaft. Die Festivalzentrale und die angrenzenden Bahnbögen fungieren dann für drei Wochen als Forum für eine ganze Vielzahl von Veranstaltungen. Diese laden allesamt zur kostenlosen Teilnahme ein und verwandeln eine der unattraktivsten Straßen im Viertel in eine Utopie gemeinschaftlicher Stadtgestaltung.
Die folgende Liste ist nur eine Auswahl:
CityLeaks Festival Center
Bahnbögen, Hüttenstraße 3, 31.08.-21.09., Di-So, 14-20 Uhr
Grand Opening mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker
Bahnbögen, Hüttenstraße 3, 31.08., 14 Uhr
Stadtgespräche
Bahnbögen, Hüttenstraße 3, 31.08., 15.09., jeweils 15 Uhr
Film Screenings
Bahnbögen, Hüttenstraße 3, 02.09., 09.09., 16.09, jeweils 20 Uhr
Unlock Book Fair
Bahnbögen, Hüttenstraße 3, 31.08., 12-20 Uhr, 01.09., 11-17 Uhr
Ausstellung „Coherent Existence“
Bahnbögen, Hüttenstraße 3, 31.08.-21.09.
re:cover Stadterkundungstour Hüttenstraße: 06.09., 13.09., jeweils um 17 Uhr, Start: Bahnbögen, Hüttenstraße 3, Anmeldung über engage@cityleaks-festival.com
Wandel dokumentieren: re:framing Lichtstraße
Nirgendwo in Ehrenfeld manifestiert sich der Strukturwandel so deutlich wie in der Entwicklung der Lichtstraße unweit des Helios- und Güterbahnhofareals. Als Standort von Zahnrad- und Leuchtmittelfabriken einst das industrielle Herz von Ehrenfeld, etablierten sich hier im postindustriellen Leerstand ab den 1990ern alternative Kunstorte und Konzertlocations. Diese werden heute zunehmend durch hochpreisige Wohn- und Büroräume verdrängt. Die Vergangenheit und Gegenwart dieses symbolträchtigen Straßenzugs war dabei bereits seit Juni Gegenstand künstlerischer Forschungen im Rahmen des NRW-weiten Projektes „Memory Stations“. Zum Festival werden die Ergebnisse dieses Prozesses in Form von Fotografien, Texten, Plakaten, Videoinstallationen und Erkundungstouren in die Straße zurückprojiziert und machen sie damit zu einem lebendigen und vielschichtigen Erinnerungsort. Hier die wichtigsten Termine:
Hidden Spaces Tour
Fr, 20.09., um 19 Uhr, Start: Lichtstraße 2, Anmeldung über engage@cityleaks-festival.com
Straßenfest Lichtstraße
Sa, 21.09., ab 16 Uhr
Parade „re:claim Ehrenfeld“
Sa, 21.09., 15-18 Uhr, Start: Bahnbögen, Hüttenstraße 3
Der Stadtteil als Bühne: CityLeaks Interacting Day am 14.09.
Am Samstag, den 14. September verwandeln Performer*innen und Tänzer*innen Ehrenfeld rund um Körner- und Venloer Straße in eine große Bühne. Doch dabei geht es nicht bloß um staunendes Betrachten seitens der Besucher*innen und Passant*innen, sondern auch ums Mitmachen und Teilhaben. Egal, ob bei den Tanzperformances von Marje Hirvonen und Ilona Pászthy oder bei den performativen, begehbaren Architekturen von Alex Schweder und Clemens Klein – alle Aktionen laden das Publikum auf je andere Weise dazu ein, Teil ihrer Performance zu werden. Die Idee dahinter: Den urbanen Alltag zu durchbrechen und dabei den ach so vertrauten Stadtteil ganz neu wahrzunehmen. Ab 20 Uhr verwandelt sich die Körnerstraße dann in den Chargesheimer-Tunnel: Überlebensgroße Fotografien aus Chargesheimers legendärem Fotoband „Unter Krahnenbäumen“ zieren eine begehbare, tunnelartige Installation und erlauben es dem/der Passant*in, in einer der kreativsten Straßen Ehrenfelds in den Kölner Straßenraum der 1950er Jahre und seine heute fast verlorene Lebendigkeit einzutauchen.
CityLeaks Interacting Day
Rund um die Körner- und Venloer Straße, 14. September, 17-20 Uhr
Chargesheimer Tunnel
Körnerstraße 6-28, 14. September, 20-24 Uhr
Mit Sinnen und Verstand: Murals, Installationen und urbane Interventionen
Während des Festivals werden aber natürlich auch wieder einige neue Kunstwerke im öffentlichen Raum entstehen. Unter den neuen Wandgemälden (Murals) sind vor allem die Arbeiten von Zoer und Olivier Swiz hervorzuheben, die im September zwei neue Wände auf der Liebigstraße gestalten werden. Die abstrakten Farbschichten auf dem Mural des niederländischen Street Artists Zedz hingegen überstrahlen bereits seit Juni einen Supermarktparkplatz in der Leyendeckerstraße – ein echter Lichtblick in unmittelbarer Nähe des alten Güterbahnhofgeländes, das bald schon zu einem monotonen Wohnpark mutieren wird. Die Installation der türkischen Videokünstlerin belit sağ entstand unter Mitwirkung von Mitgliedern der lokalen bosnischen Gemeinde und ist am letzten Festivalwochenende auf dem Gelände der Dzemat Moschee an der Vogelsanger Straße zu sehen. Die Künstler Mathieu Tremblin und Andrey Ustinov bringen dagegen mit ihren spontanen, aber ebenso geistreichen, künstlerischen Interventionen reichlich Verwirrung in die gewohnte Ordnung von Architektur und Zeichen auf Hütten-, Liebig- und Vogelsanger Straße. Gründe genug also, um Ehrenfeld in diesem September mit geschärften Sinnen und scharfem Verstand (neu) zu erkunden.
Mural Paintings:
Zedz: Leyendeckerstraße 2a, bereits realisiert
Innerfields: Gießener Straße 85-89, 29.08.-05.09.
Olivier Swiz: Liebigstraße 33, 10.-18.09.
Lukas Friedlich: Eckewartstraße / Wolfhartstraße (Trafostation), 13.-16.09.
Taroe & Tictone: Widdersdorfer Straße 270 & 270a, 15.-21.09.
Zoer: Lichtstraße 24, 17.-24.09.
Installationen / Interventionen:
craus | hahn: „Himmelfernes“, Weg zwischen Wöhlerstraße und Parkgürtel, 31.08.-22.09.
Andrey Ustinov: „Iconoclash“, Vogelsanger Straße 201 (Werbeplakat), 01.-19.09.
Mathieu Tremblin: Interventionen, Hüttenstraße und Liebigstraße, 02.-15.09.
belit sağ: „Die Mutter der L.“, Vogelsanger Straße 210 (Hof), 20./21.09., 20-22 Uhr
Bekannte Ecken neu entdecken: CityLeaks Urban Art Touren
An den Festivalwochenenden gibt es wieder zahlreiche Möglichkeiten, im Rahmen des umfangreichen Führungsangebots ganz neue, aber auch viele ältere Kunstwerke in den verschiedensten Kölner Vierteln zu erkunden. Die Fuß- und Fahrradtouren führen dabei auf acht Routen durch Ehrenfeld, Neuehrenfeld, Nippes und das Belgische Viertel. Fast alle Touren enden dabei am Festival Center in der Hüttenstraße. Außerdem werden erstmals kostenlose Stadterkundungstouren angeboten, auf denen vielmehr die besonderen räumlichen Situationen und Veränderungen rund um Hüttenstraße (06.09., 13.09.) und Lichtstraße (20.09.) im Fokus stehen. Egal durch welche Viertel und Straßen die Touren führen, sie alle bieten haufenweise Gelegenheiten, spannende Entdeckungen zu machen oder aber vertraute Ecken ganz neu kennenzulernen.
CityLeaks Urban Art Touren (Dauer ca. 2 Stunden, 7,50 Euro pro Person):
- Ehrenfeld Tour 1: 31.08. (12 Uhr), 07.09. (16 Uhr), 14.09. (18 Uhr), 22.09. (16 Uhr), Start: Bürgerzentrum Ehrenfeld, Venloer Straße 429, am Haupteingang
- Ehrenfeld Tour 2: 07.09., 15.09., 21.09., jeweils um 16 Uhr, Start: Venloer Straße 279 / Geisselstraße, Platz vor der Marktkapelle
- Belgisches Viertel Tour: 01.09. (16 Uhr); 14.09. (18 Uhr), Start: Richard-Wagner-Straße 2 / Händelstraße, vor Eco Express
- Eigelstein Tour: 08.09., 22.09., jeweils um 16 Uhr, Start: Eigelstein 10 / Turnier Straße
- Neuehrenfeld Bike Tour: 01.09., 15.09., jeweils um 16 Uhr, Start: Venloer Straße 472 / Leyendeckerstraße, vor Zeeman
- Nippes/Ehrenfeld Bike Tour: 08.09., 21.09., jeweils um 16 Uhr, Start: Neusser Straße 450 / Gürtel, vor dem Bezirksrathaus Nippes
- re:cover Stadterkundungstour Hüttenstraße: 06.09., 13.09., jeweils um 17 Uhr, Start: Bahnbögen, Hüttenstraße 3, kostenlos, Anmeldung über engage@cityleaks-festival.com
- Hidden Spaces Tour Lichtstraße: 20.09., um 19 Uhr, Start: Lichtstraße 2, kostenlos, Anmeldung über engage@cityleaks-festival.com
Mehr zu alledem und vielem Weiteren ist auf der Festivalwebseite zu finden, auf der übrigens auch Infos und Fotos zu den Künstler*innen und Kunstwerken aller vergangenen Festivals abrufbar sind.
Ich freue mich auf einen kreativen und inspirierenden September und hoffe, viele bekannte, aber auch neue Gesichter bei den zahlreichen Veranstaltungen zu sehen! Bis dann!
Hallo,
die Mailadresse für die Anmeldungen hat leider einen kleinen Fehler, die Endung muss .com (und nicht .de) sein.
CityLeaks Festival
Ich hatte selbst an .de geschrieben und mich nach Fehlermeldungen an die zentrale Mailadresse gewendet.
Von dort wurde ich dann aufgeklärt. Es ist/war aber auch auf der CityLeaks Website inkonsistent – also mal so, mal so.
Grüße
Gabriele Nuss