Bereits seit 26 Jahren zelebriert das Film Festival Cologne (ehemals Cologne Conference – nach so langer Zeit kann man ruhig mal seinen Namen updaten) jedes Jahr im Herbst die Filmkultur in ihrer reinsten Form. Das Programm vom 7. bis 14. Oktober 2016 bietet dabei eine hochinteressante Mischung aus Fachkonferenz – wie zum Beispiel Lectures und Werkstattgespräche – und zahlreichen Premieren von internationalen Serien und Spielfilmen. Dabei legt das FFC-Team bei der Auswahl besonderen Wert darauf, die Vielfalt der Filmkultur über alle Genregrenzen hinweg abzubilden und so neue Trends und Impulse aufzuzeigen.
Ich stelle euch aus den Programmreihen Top Ten TV, Look, Kino, Made in NRW sowie Showcases meine Favoriten vor – es ist mir allerdings wirklich schwer gefallen, mich auf eine Empfehlung pro Kategorie zu beschränken. Also schaut euch unbedingt das restliche Programm unter www.filmfestival.cologne an.
TOP TEN TV
„Top Ten TV“ zeigt die zehn besten Produktionen der aktuellen internationalen Fernsehlandschaft.
Weiner
Dokumentarfilm | USA 2016 | 96‘| englische OV
Regie: Josh Kriegman, Elyse Steinberg
Darsteller: Anthony Weiner, Huma Abedin, Amit Bagga, Sydney Leathers
Anthony Weiner war New Yorker Kongressabgeordneter bis ihn 2011 ein Skandal zu Fall brachte: Er hatte via Twitter Fotos von seinem besten Stück an Frauen geschickt, obwohl er bereits mit Huma Abedin, enge Mitarbeiterin von Hillary Clinton, verheiratet und Huma schwanger war.
Die Dokumentation begleitet Weiners Comeback-Versuch 2013 als Bürgermeisterkandidat für New York City. Weiner hatte gute Erfolgschancen – bis während des Wahlkampfs bekannt wird, dass er auch nach seinem Rücktritt weiterhin das sogenannten „Sexting“ betrieben hatte. Ab diesem Zeitpunkt sind das Kamerateam und damit der Zuschauer live dabei, wie das Desaster seinen Lauf nimmt.
Die Dokumentation gibt faszinierende Einblicke in Politik, menschliche Abgründe und Verpflichtungen sowie die modernen Strukturen von Macht und Medien. Und Weiners Naivität und Durchhaltevermögen sind ein bisschen wie ein Autounfall – man kann einfach nicht wegsehen…
www.ifcfilms.com/films/weiner
NRW-Premiere
Sonntag, 09. Oktober 2016, 14:30 Uhr
Donnerstag, 13. Oktober 2016, 16:30 Uhr
Residenz, Kaiser-Wilhelm-Ring 30–32, 50672 Köln
LOOK
„Look“ präsentiert visuell außergewöhnliche und formalästhetisch grenzüberschreitende Beiträge.
Homo Sapiens
Dokumentarfilm | Österreich 2016 | 94’ | Ohne Dialoge
Regie: Nikolaus Geyrhalter
Das Publikum von „Homo Sapiens“ des international preisgekrönten Dokumentarfilmers Nikolaus Geyrhalter muss viel aushalten können: die Abwesenheit von Menschen und Dialogen sowie die damit einhergehende Präsenz von Stille und Einsamkeit – das ist intensiv und sicherlich nicht für jeden etwas. Wer sich darauf einlassen kann, erlebt für eine Filmlänge die poetische Stille von großartigen Bildern.
Der Film zeigt von Menschen verlassene Orte auf der ganzen Welt – halb eingestürzte Kinos, verfallene sowjetische Prachtbauten oder halbversunkene Vergnügungsparks. Die Bilder haben etwas Meditatives und regen zum Nachdenken über die eigene und menschliche Endlichkeit an und stellen vielleicht auch das Machtverhältnis zwischen Natur und Mensch infrage. Eine romantische Dystopie oder Utopie, je nach Sichtweise…
www.homosapiens-film.at
NRW-Premiere
Samstag, 08. Oktober 2016, 18:00 Uhr
Donnerstag, 13. Oktober 2016, 14:00 Uhr
Residenz, Kaiser-Wilhelm-Ring 30–32, 50672 Köln
KINO
„Kino“ bietet eine Auswahl herausragender internationaler Kinoproduktionen.
Nocturama
Eröffnungsfilm
Spielfilm | Frankreich, Deutschland, Belgien 2016 | 130‘ | französische OV mit deutschen UT
Regie: Bertrand Bonello
Darsteller: Finnegan Oldfield, Vincent Rottiers, Hamza Meziani, Manal Issa, Martin Guyot, Adèle Haenel
In Zeiten in denen Terror in der Gesellschaft und in den Medien omnipräsent ist, setzt Regisseur Bertrand Bonello seinen Fokus sehr geschickt auf eine Gruppe radikalisierter Jugendlicher, die in Paris eine Anschlagserie verübt und sich anschließend in einem großen Kaufhaus verschanzt.
Der Film wird wohl gerade für das, was er ausklammert beziehungsweise für das, was ungesagt bleibt, kontrovers und viel diskutiert. Der Regisseur lässt dem Zuschauer absichtlich viel Gedankenspielraum und einige Kritiker werfen ihm vor, er würde Terrorismus cool aussehen lassen. Ob dies stimmt, sei dahin gestellt. Ich finde viel zentraler, dass hier ein Generation porträtiert wird, die vor lauter Zukunftsängsten, Kommerzialisierung und Überschwang ihren Ausweg in solch einer Tat sucht – und dieser Aspekt ist erschreckend dicht an unser aller Leben gekoppelt.
Deutschlandpremiere, Filmteam anwesend
Samstag, 08. Oktober 2016, 20:00 Uhr
Residenz, Kaiser-Wilhelm-Ring 30–32, 50672 Köln
MADE IN NRW
Beiträge in „Made in NRW“ sind zum Teil in NRW gedreht, von NRW-Produzenten realisiert oder aber von NRW-Regisseuren inszeniert worden.
Das kalte Herz
Spielfilm | Deutschland 2016 | 118‘| deutsche OV
Regie: Johannes Naber
Darsteller: Frederick Lau, Milan Peschel, Moritz Bleibtreu, Henriette Confurius, Sebastian Blomberg
Der deutsche Autor Wilhelm Hauff veröffentlichte 1827 sein Kunstmärchen „Das kalte Herz“ und thematisierte mit Hilfe von mystischen Elementen die gesellschaftlichen Umbrüche kurz vor der Industrialisierung. Der Köhlerjunge Peter verkauft sein Herz an den zwielichtigen Holländermichel, um den sozialen Aufstieg zu schaffen und die Glasmachertochter Lisbeth heiraten zu können.
Es gab einmal viele großartige Märchenverfilmungen – vielleicht trauen sich Regisseure deshalb heutzutage nur ungern an dieses Thema heran. Ich kenne das Märchen und habe bereits eine Adaption im Theater gesehen. Aus meiner Sicht ist hier eine sehr gute moderne Interpretation gelungen. Die Geschichte hätte man sicherlich auch leiser erzählen können, aber das Setting im Schwarzwald ist atemberaubend und transportiert die düstere Dramatik der Geschichte sehr gut.
NRW-Premiere, Filmteam anwesend
Mittwoch, 12. Oktober 2016, 20:00 Uhr
Cinenova, Herbrandstraße 11, 50825 Köln
SHOWCASES
Zusammen mit nationalen und internationalen Medienunternehmen werden in den Showcases exklusive Film- und Fernsehproduktionen präsentiert.
Tempel
TV-Serie | Deutschland 2016 | 3×30′ (6×30′)‘ | deutsche OV
Regie: Philipp Leinemann
Darsteller: Ken Duken, Chiara Schoras, Michelle Barthel, Antje Traue, Thomas Thieme, Leslie Malton, Hiltrud Hauschke
Die Hauptfigur Mark Tempel lebt mit ihrer Familie in Berlin, ist frustriert und hat Geldsorgen. Seine Wut konzentriert sich auf die Immobilienmogule, die die Gentrifizierung seines Stadtviertels vorantreiben. Tempel nimmt in Robin Hood-Manier den Kampf auf, verstrickt sich aber bald in den schwammigen Grenzen von richtig und falsch.
Die Serie Tempel ist so frisch von ZDFneo produziert, dass Informationen rar sind und es bisher noch nicht einmal einen Trailer gibt. Wenn ihr also quasi die ersten sein wollt, die diese deutsche Serie entdecken, ist ein Besuch der exklusiven Vorführung die optimale Gelegenheit.
In Kooperation mit ZDFneo
Donnerstag, 13. Oktober 2016, 18:00 Uhr
Residenz, Kaiser-Wilhelm-Ring 30–32, 50672 Köln
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