Wie Bier aus Köln zu einer globalen Erfolgsgeschichte wurde
„Old King Kölsch“? Das klingt nach einer schillernden Figur aus dem Kölner Nachtleben. Oder vielleicht doch eher nach einem Karnevalshit, der erst noch geschrieben werden muss? Auch wer ein „Eisenbahn Kölsch“ oder ein „4 Pines Kölsch“ erwähnt, dürfte fragende Blicke in der Millionenstadt am Rhein ernten. Und doch handelt es sich um einen Aspekt der Realität, hinter dem sich Bier verbirgt. Denn während der Gerstensaft nach kölnischer Brauart im gesamtdeutschen Kontext mit einem Marktanteil von weniger als drei Prozent eher ein exklusives Nischendasein führt, sind Biere nach kölschem Vorbild im vergangenen Jahrzehnt in Übersee rasend populär geworden.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. So ist die Auswahl an Kölsch-Marken in der Stadt selbst recht groß: Der örtliche Brauerei-Verband zählt neun Produktionsstätten, die 16 gängige Marken in größeren Mengen produzieren. Hinzu kommen einige Mikrobrauereien mit kleineren Quantitäten wie das »Helios« aus der Ehrenfelder Braustelle.
Geschützt wie Champagner
Alle diese Biere eint, dass sie in Köln oder der näheren Umgebung gebraut werden. Dafür bürgt die 1986 verabschiedete Kölsch-Konvention, mit der die heimischen Brauereibetreiber den typischen Charakter ihrer Produkte an einen geografisch eng definierten Raum gekoppelt haben. 1997 konnte die Verordnung auf das gesamte Territorium der Europäischen Union ausgedehnt werden, wodurch das Kölsch nun einen ähnlichen Schutz genießt, wie Champagner oder einige Weinregionen.
Auch der Erfolg der Craft-Beer-Bewegung hat an der deutschen Bierlandschaft zunächst wenig geändert. Ganz anders gestaltet sich die Lage in Übersee: In den USA etwa wurde der Markt noch bis in die Nuller-Jahre fast vollständig von einer Handvoll Großkonzerne kontrolliert. Bald aber setzte ein großes Aufbegehren ein. Seitdem ist die Kultur der regionalen Brauerei in so ziemlich jeder Kleinstadt wieder aufgeblüht. Zunächst haben die Braumeister den Markt mit dem sehr hopfenbetonten India Pale Ale (IPA) oder dem mit Kaffeenoten ausgestatteten Porter gesättigt. Geschmacksintensive Biersorten mit einem häufig hohen Alkoholanteil von 6 bis 8,5 Prozent.
Plagiat mit falscher Rechtschreibung
Als die Bierfreunde sich daran langsam satt getrunken hatten, verlangten viele von ihnen leichter trinkbare Varianten. Dabei sind die Braumeister auf Kölsch gestoßen, das mit seinen moderaten Bitternoten und einem Alkoholanteil von maximal fünf Prozent den Ruf genießt, sehr bekömmlich zu sein. So konnte es geschehen, dass heute von Los Angeles bis New York und von Seattle bis Miami vielerorts Kölsch-Plagiate ausgeschenkt werden – auch wenn diese nicht selten als „Kolsch“ oder „Koelsch“ angepriesen werden.
Weil die geografische Schutzbezeichnung jenseits des Atlantiks nicht greift, können sich die Besucher der Bricktown Brewery in Oklahoma City nun an dem eingangs erwähnten Old King Kölsch laben. Die Kunden der Eisenbahn-Brauerei in der südbrasilianischen Stadt Blumenau freuen sich neben Pils und Rauchbier auch über ein Kölsch. Und die in einem Vorort von Sydney angesiedelte 4 Pines Brewery überzeugt mit einem goldgelben Kölsch, das über einen stimmigen Alkoholgehalt von 4,6 Prozent verfügt. Am kuriosesten aber vielleicht ist ein Bier, das in Pigeon Forge im US-Bundesstaat Tennessee gebraut wird. Es kommt in einer schrillen gelben Dose, hört auf den Namen Yee Haw Kölsch – und schmeckt recht authentisch.
Abmahnung für ein „India Pale Kölsch“
Der Kölner Brauerei-Verband bewertet diese Biere als dreiste Fälschungen, für dessen juristische Bekämpfung der Aufwand in Übersee gleichwohl zu groß wäre. Dies aber gilt nicht für ähnliche Versuche in der EU: So hat ein niederländischer Brauer kürzlich ein „India Pale Kölsch“ auf den Markt zu bringen versucht, was der Verband mit einer Abmahnung quittiert hat. Bis zu 125.000 Euro Vertragsstrafe können laut Kölsch-Konvention für ein solches Vergehen fällig werden.
Einige Braumeister in Übersee übrigens versuchen ihren Respekt vor der Schutzbezeichnung zum Ausdruck zu bringen, indem sie es als „Kölsch style beer“ bezeichnen. Viele achten zudem das Deutsche Reinheitsgebot. Nicht zuletzt greifen sie außerdem auf Hopfen und Malz aus „Germany“ zurück. Nur auf das viel besungene Wasser von Köln müssen sie verzichten. Weil man sich darüber hinaus in der neuen Welt mit den charakteristischen Stangen schwertut, bleibt der wahre Kölsch-Genuss auch in Zukunft auf seine Heimat beschränkt.
„Drink like a German“
Lediglich im abgelegenen US-Bundesstaat Idaho kennt man dieses Problem nicht: In der Hauptstadt Boise richtet das Lokal „Prost“ (Motto: „Drink like a German“) jedes Jahr im Juli ein Kölsch-Fest aus – mit Direktimporten aus der größten Stadt des Rheinlandes. Reissdorf, Gaffel, Früh und Sünner fließen vom Fass direkt in artgerechte Stangen aus Originalproduktion. Kostenpunkt: 12,50 $ pro Liter. Ein wahrhaft königlicher Preis.
Informationen
Bricktown Brewery
1 North Oklahoma Avenue, Oklahoma City, USA,
Web: www.facebook.com/BricktownBreweryOKC
Prost Boise
274 North 8th Street, Boise, Idaho, USA
Web: www.prostboise.com | www.facebook.com/events/prost-boise/kölschfest-2019/336076627344831
Eisenbahn Cervejaria
Rua Bahia, 5181 Blumenau, Brasilien
Web: www.eisenbahn.com.br | www.facebook.com/cervejaeisenbahn
4 Pines Beer
9-13 Winbourne Road, Brookvale, New South Wales, Australien
Web: 4pinesbeer.com.au/our-beers/ | www.facebook.com/4Pinesbeer
Kölner Brauerei-Verband
Web: www.koelner-brauerei-verband.de
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