Kunst unter der Erde
Tageslicht dringt niemals hier hin vor. Nicht selten macht sich ein unangenehmer Windzug bemerkbar. Oder aber es ist stickig heiß unter der Erde. Mal ist es beängstigend voll, dann wieder gespenstisch leer. Und man benötigt sie lediglich, um von einem Punkt zum anderen zu gelangen. Dennoch leisten die Kölner U-Bahn-Stationen einen Beitrag dazu, unterschiedlichste Lebenssituationen aufzuhellen, denn sie sind völlig unterschätzte Kunstwerke. Eine Liebeserklärung in acht Strophen von Ralf Johnen.
Piusstraße
Wir alle kennen das: eine lange Nacht in Ehrenfeld. Am frühen Morgen sind die Beine schwer und die bevorstehende Heimreise ist länger, als einem lieb ist. Doch es hilft alles nichts. Ab in die Katakomben der U-Bahn! Dort sticht sie plötzlich ins Auge: eine Skulptur aus nackten Glühbirnen, die über den Rolltreppen zu den Gleisen zu schweben scheint. Sie besitzt die Form einer Pyramide, nur schwebt sie in umgedrehter Position von der Decke, als handele es sich um ein großes Insekt. Ein auffälliger und greller Gruß an die Kölner. Eine ebenso einzigartige wie unwahrscheinliche Installation, die Gerd Winner 1989 geschaffen hat, als die Linien 3 und 4 nach in den Kölner Nordwesten durchgezogen wurden.
Friesenplatz
Diese Haltstelle ist öfter in TV-Krimis verschmäht worden. Wegen der Fliesen in mehreren unwahrscheinlichen Blautönen und der vermeintlichen Kühle, die von ihnen ausgeht. Dabei ist das erste Untergeschoss der Station, wo die Fahrgäste ihren in alle Himmelsrichtungen fahrenden Zügen entgegenstreben, von geradezu betörenden Mustern geprägt: Die tragenden Säulen werden von achteckigen Mustern eingerahmt. Die Farbbalken an den Wänden kreieren eine stramme Horizontalität – und an den etwas zu niedrigen Decken verleiht die Verkleidung dem Raumgefühl zusätzliche Dynamik. Für die Bauperiode von 1985 bis 1987 ist das Ganze geradezu visionär, denn es ist »very instagrammable«, wie viele der Kölner U-Bahnstationen.
Leyendeckerstraße
Die Kölner U-Bahn ist nicht sonderlich alt. Die ersten 1,4 Kilometer zwischen Hauptbahnhof und Appellhofplatz wurden erst 1968 eingeweiht. Viele Stationen aus den Anfangsjahren sind von Fliesenkompositionen geprägt, die denen am Friesenplatz ähneln. Die Ehrenfelder Bahnhöfe hingegen sind zeitlich schwer einzuordnen. Die Leyendeckerstraße mit ihren von unten angeleuchteten Rolltreppenhandläufen, der strengen Symmetrie der Beleuchtung und der leicht psychedelisch anmutenden Deckenbemalung in den Fahrröhren könnte auch aus den 70er Jahren stammen. In Wahrheit aber hat die Künstlerin Ulrike Utaz das raumschiffartige Gewölbe 1992 gestaltet. Es leistet einen weiteren Beitrag zu dem Gefühl, durch den Erwerb eines KVB-Tickets eine unterirdische Zeitreise anzutreten.
Körnerstraße
Wieder ein gutes Beispiel dafür, wie die Ehrenfelder Stationen nicht nur der Personenbeförderung, sondern auch als Kunstraum dienen. Im ersten Untergeschoss sind die Seitenwände mit gemusterten Lichtinstallationen ausgekleidet, deren von Weiß über Gelb bis Orange reichendes Farbspektrum abermals an Disco und somit an die 70er Jahre erinnert. Die skulpturale Anordnung der Neonröhren kündet von einem ausgeprägten Sinn für Symmetrie. Wäre diese Station eine Bar, wäre sie mit Sicherheit Abend für Abend gut gefüllt mit Hipstern jeder Couleur.
Hans-Böckler-Platz
Die Play-Station. Warum? Weil sich auf Gleisebene eine Grafik befindet, die jeden Musikfan sofort zu besserer Laune veranlasst: Auf dem knallgelben Grundton der Fliesen ist ein ebenso knallrotes Piktogramm angebracht, das aus einem zur Seite weisenden Pfeil und einem daneben platzierten, gleichhohen Balken besteht. Auf Generationen von Kassettenrecordern war die das Zeichen auf jenem Play-Knopf, durch dessen Betätigung das Band gestartet wurde. Musik ab!
Kalk Post
Ein Evergreen auf der Schäl Sick. Abermals sind hellblaue, dunkelblaue und weiße Fliesen die dominierenden Elemente des Wandschmucks. Auf auffällige Weise ergänzen hier die tragenden Säulen zwischen den Gleisen, die horizontalen Linien der Deckenverkleidung und die Abdeckungen der Bahnsteige das Spektrum der geometrischen Formen. Am schönsten jedoch sind die an der Wand in Zweiergruppen befestigten Sitze. Man könnte sich gut vorstellen, dass Wes Anderson („Darjeeling Limited“, „Moonrise Kingdom“) hier Szenen für seinen nächsten Film dreht. Vielleicht mit Adrien Brody und Owen Wilson auf den Sitzgelegenheiten?
Chlodwigplatz
Eine ganz andere Nummer, weil dieser 2015 eröffnete Bahnhof einer neuen Generation angehört. Die U-Bahnlinie vom Hauptbahnhof in die Südstadt ist zwar noch nicht ganz fertig, doch die vom Kölner Architekturbüro Schaller/Theodor gestaltete Station am Chlodwigplatz greift die Ästhetik vergangener Expansionen in zeitgemäßer Manier auf: Zwar ist die großzügig bemessene Verteilerebene hier oval, doch die elaborierte Beleuchtung sowie die pilzförmigen Träger erinnern durchaus an die Pendants in Ehrenfeld. Auffällig sind zudem die enormen Dimensionen der Rolltreppen (die auf den Ansturm der Zukunft ausgelegt sind) sowie die stilisierten Graffitis an einigen Wänden.
Heumarkt
Noch ein Favorit der Neuzeit: Die 2013 eröffnete Station konnte durch den Einsturz des Stadtarchivs und die damit einhergehenden Verzögerungen ebenfalls ihre angedachte Funktion noch nicht in vollem Umfang einnehmen. Doch der von Architekt Ulrich Coersmeier gestaltete Bahnhof begeistert mit offenen Räumen und einer durchdachten Kombination von Geraden, Stufen und Rundungen. Dabei manifestiert sich ebenso wie am Chlodwigplatz die neue Farblinie aus Grau, Gelb und Schwarz, die uns vermutlich in wenigen Jahrzehnten ebenso in die Irre führen wird, wie die Ehrenfelder Stationen. Die Station erinnert von ihren Dimensionen an futuristische Metropolen, bei der Betrachtung bleibt unklar, ob deren Vorbilder in asiatischen Kapitalen gebaut wurden oder ob sie vielleicht doch eher aus einem Sciencefiction-Film stammen. So oder so schon jetzt ein Klassiker, der dazu animiert, die Rolltreppen rauf und wieder runterzufahren – selbst wenn man nirgendwo hin möchte.
Cool! Da bekommt man Heimweh nach #KoelleUnderground
Toll, werden wir uns in Original Mal ansehen.
Das sind ja richtig tolle Fotos und sicher auch ein paar gute “Insta-Spots”. Die ein oder andere Bahnstation werde ich für Fotos sicher an meine Kunden weiterempfehlen. Zu guten Fotospots bekomme ich häufig Fragen. VG
Heimweh nach Köln!