oder warum Schweinebauch und Ceviche das neue Sushi sind
Fusion Food ist in aller Munde. Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff? Ist es nur der klischeehafte Versuch eines Gastronomen, der eigenen Orientierungslosigkeit einen Namen zu geben? Oder stecken am Ende doch originelle Ideen dahinter, die der Kochkunst im 21. Jahrhundert zu neuen Höhenflügen und ungewöhnlichen Geschmackserlebnissen verhelfen können? Wir haben in Köln einige Neueröffnungen getestet und sind klar vom zweiten Erklärungsansatz überzeugt: Kölns Fusion-Köche kombinieren ihre Einflüsse mit schlüssigen Konzepten zu spannenden Gerichten. Die Kompositionen überzeugen nicht nur geschmacklich, sondern auch von der Optik und der Textur. Dabei lassen sie vom gehobenen Street Food bis zur Haute Cuisine keine Nische unbesetzt.
Tigermilch
Die peruanische Küche war lange Zeit ein kaum beachtetes Nischenprodukt. Gegenwärtig aber gibt es kaum etwas Angesagteres. Das kam ungefähr so: Die Nachwuchs-Foodies aus aller Welt haben beschieden, sich nicht bis ans Ende ihrer Tage von Sushi und Burgern ernähren zu wollen. Plötzlich gab es überall Ceviche, die peruanische Rezeptur zum Konsum rohen Fisches. Etwa gleichzeitig stieg die Hauptstadt Lima zu einer der ultimativen Gourmet-Kapitalen auf – kaum irgendwo wurden Einflüsse zu so aufregenden Gerichten kombiniert. Und die haben nun den Weg in alle Welt gefunden.
Wer sich davon überzeugen möchte, muss nur den Weg ins Belgische Viertel finden. In einem hübschen Ecklokal hat hier im Dezember 2017 ein Lokal eröffnet, das die kulinarische Bandbreite Perus voll ausschöpft: von der Küste über das Hochgebirge bis zum Regenwald ist die Diversität von Produkten schon innerhalb der Landesgrenzen enorm. Hinzu kommen Einflüsse aus Migrantenküchen sowie aus Übersee – im konkreten Fall: Japan. Wegweisend etwa ist der Cerdo Nikkei (7 Euro), knusprig gebratener Schweinebauch mit Sake-Marinade und Granatapfel. Ähnlich gelungen: das Ceviche Nikkei (13 Euro), das in Kombination mit Algensalat und Ingwer-Maracuja-Sauce Neuland betritt. Vom Ceviche, so viel Bodenständigkeit muss dann doch sein, ist auch der Name abgeleitet: Als »leche de tigre« werden die Reste der Ceviche-Marinade bezeichnet, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mit gegessen wurden – und deren Verzehr für manchen Peruaner den Höhepunkt des Essens markiert.
Tigermilch
Brüsseler Straße 12, 50674 Köln
So–Do 18–23 Uhr, Fr, Sa bis 1 Uhr
www.facebook.com/tigermilch.kitchen/
Der Vierte König
Der Gruß aus der Küche gehört in der Haute Cuisine zum guten Ton. Viele Köche präsentieren die Vorvorspeise mit einigem Stolz, um ihren Gästen das Gefühl zu geben verwöhnt zu werden. Im Vierten König geschieht dies in Form einer hausgemachten Salsiccia in Begleitung von Linsen und einem kleinen Arrangement essbarer Blumen. Dabei treffen die französisch-mediterranen Elemente auf Gewürze, die eher der indischen Küche entstammen. Genau das ist die Kernkompetenz von Jaspreet Dhaliwal-Wilmes, der europäischen Zutaten neue Aromen abgewinnt.
Auf der häufig wechselnden Karte stehen Kompositionen wie „Kartoffelterrine mit Gazpacho-Sorbet an Curcuma-Kräuter-Sauce und Amlabeere“ (13 Euro) oder „Marmoriertes Kalbsfilet und geschmorte Bäckchen mit Curry-Mandel-Möhren“ (30 Euro), die den Gaumen kitzeln und den Verstand fordern und zu der Nachfrage veranlassen: „Was genau ist das denn jetzt, bitte“? Das Schöne daran: die Gerichte wirken nicht so, als würde die Küche einem artifiziellen Konzept folgen. Viel mehr scheinen sie wie das natürliche Bedürfnis eines Kochs zu, der einer eigenen Vision folgt. Diese funktioniert beim Eifeler Reh ebenso wie in der vegetarischen Variante. Und wer nur auf eine Vorspeise kommt, ist ebenso willkommen wie Menü-Gäste.
In der Laube auf dem Bordstein in Sülz macht diese Interpretation der Fusion-Küche an lauen Abenden besonderen Spaß. In den gediegenen Räumen könnte es trotz der schönen Jugendstilelemente noch ein klein wenig gemütlicher sein. Doch das ist spätestens dann vergessen, wenn zum Espresso noch einmal ein finaler Gruß aus der Küche kommt.
Der Vierte König
Gottesweg 165, 50939 Köln
Tel: +49 (0) 221. 4848 1288
www.derviertekoenig.com | www.facebook.com/derviertekoenig/
Poké Makai
„Gehen wir eine Bowl essen?“ Diese Redewendung mag vor wenigen Jahren noch kryptisch gewesen sein. Doch nun, da Poké schon ein Weilchen das große neue Ding ist, gehört der Ausdruck zum Standardvokabular Kölner Foodies – auch wenn es das schnöde Wort Schüssel natürlich ebenso gut trifft. Ebendieses Porzellanbehältnis wird auf dem Pazifikarchipel Hawaii in etwa seit den 1970er Jahren mit klebrigem Reis, rohem Fisch, klein geschnittenem Gemüse, Sojasauce, Sesamöl und anderen Ingredienzien gefüllt und – je nach Vorliebe – untereinander vermischt wird. Angesichts dieser Zusammenstellung dürften Kenner wenig überrascht sein, dass Poké auch als „Sushi in a Bowl“ angepriesen wird. Als solches kombiniert es japanische mit kontinentalamerikanischen Einflüssen und entspricht somit dem Anforderungsprofil an Fusion-Food auf vorbildliche Weise.
Köln schwimmt ganz oben auf der Poké-Welle – schon mehrere Lokale bieten die Spezialität an. Spannend sind die Kreationen von Mirko Gaul, der als Küchenchef des panasiatischen Sternerestaurants Taku (im Hotel Excelsior) einschlägig vorbelastet ist. Im Poké Makai kombiniert er munter drauf los. Herrlich pikant ist die Variante mit pikantem Thunfisch, in eine ganz andere Richtung gehen Kim Duck (mit knuspriger Ente) und Tamago Sour (mit japanisch zubereitetem Ei). Wer lieber seine eigene Kreation zusammenstellt, kann aus knapp 50 Zutaten auswählen. Die Bowls (9,90–14,90 Euro) kommen in kleinen und großen Portionen, die ganz schön nahrhaft sein können – und die ganz davon abgesehen sehr „instagramable“ sind. Dazu gibt es köstliche Ingwerlimonade von Djahé aus Ehrenfeld sowie flotten und freundlichen Service. Nur für einen gemütlichen Abend taugt das Poké Makai nicht: der Laden ist leider als Imbiss konzipiert.
Poké Makai
Marzellenstraße 12 a, 50667 Köln
Tel. +49 (0) 221. 27 03 888
poke-makai.de | www.facebook.com/pokemakai/
NENI
Der Blick auf den Dom ist für den Kölner bekanntlich unbezahlbar. Da ist erfreulich, dass das derzeit wohl hipste Restaurant der Stadt Premiumplätze in der ersten Reihe bietet: Seitdem das nagelneue Hotel 25 Hours im Rundbau des ehemaligen Gerling-Konzerns seine Pforten geöffnet hat, ist im hauseigenen Restaurant NENI nur mit Mühe ein Tisch zu bekommen. Das liegt nicht allein an der Aussicht, denn auch hier versteht es die Küche, gelangweilte Geschmacksnerven auf Vordermann zu bringen. Dazu werden israelische Speisen und Gewürze mit fernöstlichen Einflüssen gekreuzt. Das Ergebnis sind bemerkenswerte Kreationen wie „Spicy karamellisierte Auberginen“ (14,50 Euro) auf japanischem Reis oder „Rib-Eye-Steak“ (300 g 29 Euro) in einer Marinade aus japanischer Miso-Suppe und orientalischer Harissa-Paste. Damit mag sich die Crew auf weithin unerforschtem Terrain bewegen, doch auch diese Variante von Fusion Food ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch schlüssig.
Wer die Gerichte verkosten möchte, hat zudem die Wahl aus einer klassischen Menüfolge wie auch aus Mezze, also mittelgroßen Vorspeisen, die zum Teilen auf den Tisch kommen. Zum Angebot gehören auch Zigarren, doch keine Sorge: dabei handelt es sich nicht um Rauchwaren, sondern um köstlich gefüllte Teigrollen mit hohem Knusperfaktor (ab 6,50 Euro). Kleiner Tipp für den Fall, dass mal wieder alle Tische ausgebucht sind: Einige dieser Häppchen werden auch in der Monkey Bar serviert, die am anderen Ende des Flurs aufgemacht hat. Vor allem mit „NENI’s Hummus Selection“ (10 Euro), die fotogen auf einer Etagere serviert wird, kommt man ein ganzes Stück durch den Abend.
NENI Köln
Im Klapperhof 22-24, 50670 Köln
Tel. +49 (0) 221. 16 25 35 61
www.25hours-hotels.com/restaurants-bars/koeln/neni-koeln | www.facebook.com/NENI-K%C3%B6ln-340587469758866/
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